„Heimat ist nicht, wo man geboren ist, sondern wo man sich ernähren kann“, sagt ein türkisches Sprichwort. Und wir haben unsere Heimat schon seit vielen Jahren in Karlsruhe. Wir sind mittlerweile richtige Deutsche geworden. Die Staatsbürgerschaft haben wir, aber auch in Alltagsdingen macht sich das bemerkbar: Statt türkischen Tee trinkt meine Frau heute Kaffee. Sie fährt auch nicht mehr oft in ihre Heimatstadt Ankara. Ich dagegen schon, und wenn ich fahre, dann für ein paar Monate. In Istanbul verbringe ich dann Zeit mit meiner Familie.

Es ist uns oft passiert, dass wir nicht akzeptiert wurden,

weil wir aus der Türkei stammen.

Wir sind ja schon lange hier in Karlsruhe. Meine Frau ist 1964 als Gastarbeiterin nach Deutschland gekommen. Sie hat damals im Damenwohnheim in Bruchsal gewohnt und in einem Karlsruher Unternehmen in der Produktion gearbeitet. Wir haben geheiratet und ich bin dann bald nachgekommen und habe bei Siemens hier in Karlsruhe als Lagerist gearbeitet.

Nach einiger Zeit bei Siemens hatte man als Stammarbeiter Anrecht auf eine Werkswohnung. 1970 sind wir in der Hertzstraße in eine Drei-Zimmer-Wohnung eingezogen. Später übernahm die Volkswohnung die Häuser und so wurden wir Volkswohnungs-Mieter. Auf Dauer waren drei Zimmer allerdings recht eng mit unseren drei Kindern – wir haben zwei Mädchen und einen Jungen bekommen. Deshalb konnten wir 1980 in die Vier-Zimmer-Wohnung hier in der Nordweststadt umziehen. Das Viertel hat sich über die Jahre ganz schön verändert. Wir haben uns gefreut, als der ehemalige Schießplatz der Amerikaner zum Spielplatz umgestaltet wurde. Und als unser Haus Balkone bekommen hat, das war auch schön.

Wir sind hier also richtig zuhause. Aber es war ein langer Weg – es ist uns oft passiert, dass wir nicht akzeptiert wurden, weil wir aus der Türkei stammen. Wenn wir irgendwo eingezogen sind, sind wir erstmal auf Vorbehalte gestoßen. Man hat uns im Nachhinein erzählt, dass die Anwohner eines Hauses sogar an Weihnachten dafür gebetet haben, dass keine Türken ins Haus ziehen. Stellen Sie sich das vor! Nach und nach wurde das immer besser, aber ich habe gemerkt, dass ich mich für Integration und Verständigung aktiv einsetzen muss.

Alt zu sein, und fit und orientiert —

das ist ein Geschenk Gottes!

Deshalb habe ich in den 70er-Jahren schon einen türkischen Elternverein gegründet, in dem ich bis heute aktiv bin. Den Ausländerbeirat – heute heißt er Migrationsbeirat – der Stadt Karlsruhe habe ich mit gegründet. Und ich hoffe, dass ich etwas für Verständigung und Toleranz tun konnte. Zumindest sieht das die Stadt Karlsruhe so und hat mir 2016 den Integrationspreis der Stadt verliehen. Auch das türkische Konsulat hat mein Engagement gewürdigt.

Nun sind wir seit 58 Jahren verheiratet und fest hier in Karlsruhe verwurzelt. Wir freuen uns, wenn wir Zeit mit unseren Kindern, den fünf Enkeln und drei Urenkeln verbringen können. Alt zu sein, und fit und orientiert – das ist ein Geschenk Gottes!

Asim-Birol (85) und Fatma-Uğur (80) aus der Türkei, beide als Gastarbeiter gekommen